FHG OÖ – Fachhochschule Oberösterreich
Die Gastdozentur an der FHG OÖ – Fachhochschule Oberösterreich Linz
Fakultät für Gesundheit und Soziales Linz
Newsbeitrag:
International Lehrender zum Thema „Barrierefreiheit“ am Studiengang Ergotherapie
Am 12. Juni 2013 ließen sich Studierende des Studiengangs Ergotherapie vom Gastvortrag des internationalen Lehrenden und Experten Petr Sika zum Thema „Barrierefreiheit“ inspirieren. Herr Sika sensibilisierte die Studierenden auf dieses Thema, brachte seine länderübergreifenden Erfahrungen ein und schilderte im Anschluss im Rahmen des folgenden Interviews seine Sichtweisen, Erfahrungen und Eindrücke.
Herr Sika, Sie haben Bauingenieurwesen in Prag studiert und beschäftigen sich seit Ihrem Abschluss 1989 intensiv mit dem Thema „Barrierefreiheit“. Was hat Sie dazu bewogen sich nach ihrem technischen Studium mit diesem Thema zu befassen?
Petr Sika: Zu der Zeit als ich studierte, war die Auseinandersetzung mit beeinträchtigten Menschen und ihren Alltagsschwierigkeiten noch ein Tabu-Thema. Ich wollte mehr über das Thema erfahren und vor allem interessierten mich die bautechnischen Möglichkeiten, um dem Anspruch der Barrierefreiheit gerecht zu werden. In der Auseinandersetzung mit der Ist-Situation stellte ich fest, dass sich auf der einen Seite das Bauwesen zunehmend in der Planung damit auseinandersetzte und auf der anderen Seite die Mediziner aus Patient/inn/ensicht mit dem Thema betraut waren. Eine Schnittstelle gab es allerdings nicht und die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppen funktionierte nicht. Ich sehe mich als Brücke zwischen Technik und Medizin und versuche durch meine Arbeit einen Beitrag zu leisten, damit den Bedürfnissen der Betroffenen auf architektonischer, technischer Seite Rechnung getragen wird. Ich bin an meiner Fakultät, der Fakultät für Gesundheitswesen an der Westböhmischen Universität in Pilsen, der einzige der sich mit Barrierefreiheit beschäftigt und dieses Thema auch interdisziplinär und im internationalen Fokus betrachtet. Das hat Vor- und Nachteile. Zudem sind in den letzten Jahren die thematischen Anfragen unter anderem auch aufgrund des EU Beitritts Tschechiens sowie des steigenden Lebensstandards gestiegen, sodass Barrierefreiheit in Tschechien immer mehr zum Thema wurde. Vor allem hat sich dadurch eine Veränderung hinsichtlich der betroffenen Gruppen ergeben. Bis dahin wurde bei „Barrierefreiheit“ fast ausschließlich an Rollstuhlfahrer gedacht, nun betrachtet man Beeinträchtigungen viel allgemeiner und bezieht auch andere Personengruppen wie bspw. Blinde, Schwangere usw. in die Überlegungen mit ein. Im Zusammenhang mit diesen Veränderungen sind auch die Anfragen nach Gastvorträgen und Lehre gestiegen, sodass ich inzwischen an Hochschulen und Universitäten in Deutschland, der Schweiz und Österreich referiere.
Wo konkret sehen Sie die Aufgabe der Ergotherapeut/inn/en, um diesem Thema gerecht zu werden? Was sollen die Studierenden aus Ihrem Unterricht in ihr ergotherapeutisches Tun mitnehmen?
Petr Sika: Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Barrierefreiheit“ sehe ich für Ergotherapeut/inn/en als ein Muss an. Wenn sich Ergotherpeut/inn/en nicht damit beschäftigen, dass Patient/inn/en ohne Einschränkungen ihren alltäglichen Dingen nachgehen können, sind jegliche Versuche durch ergotherapeutische Maßnahmen zu konkreten Ergebnis zu kommen unmöglich. Dies den Studierenden zu vermitteln ist mir ein Anliegen. Außerdem finde ich den Austausch mit den Studierenden sehr wichtig und auch, dass sich diese damit befassen, wie man sich in anderen Ländern mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandersetzt.
Wie setzten sich Ergotherapeut/inn/en in Tschechien mit Barrierefreiheit auseinander und inwieweit sind sie bei Planungen involviert? Gibt es hier ihrer Ansicht nach länderspezifische Unterschiede?
Petr Sika: In Tschechien gibt es wesentlich weniger finanzielle Mittel für begleitende Gesundheitsmaßnahmen und im Allgemeinen für Ergotherapie als zB in Österreich. Grundsätzlich sind bei uns in Krankenhäusern wesentlich mehr Physiotherapeut/inn/en als Ergotherapeut/inn/en vertreten, sodass diese mehr mit dem Thema befasst bzw. mehr bei Umsetzungsüberlegungen involviert sind.
Haben Sie konkrete Vorstellungen, wie beeinträchtigten Menschen durch ergotherapeutische Maßnahmen zu mehr Barrierefreiheit verholfen werden kann und falls ja, wo sehen Sie genau dieses Potenzial?
Petr Sika: Ja, ich sehe das Potenzial vor allem in der Computertechnik. Es gibt bereits Ansätze wie man die Feinmotorik der Finger durch spezielle Übungsprogramme am Tablett verbessern kann. Studierende an unserer Fakultät haben sich beispielsweise damit beschäftigt, wie Patient/inn/en über dieses Medium Musizieren oder Malen können, um dadurch die Motorik zu verbessern. Außerdem sollte man sich mehr mit dem barrierefreien Toilettengang auseinandersetzen. Viele „barrierefreien Toiletten“ sind für eine Vielzahl beeinträchtigter Personengruppen nicht barrierefrei, sondern stellen nach wie vor eine große Hürde dar. Wichtig ist es auch Barrierefreiheit breiter zu denken. Für Rollstuhlfahrer/innen wurde bereits viel zur Erleichterung umgesetzt, andere Personengruppen werden aber bei Überlegungen und Umsetzungsmaßnahmen auch in Österreich noch sehr vernachlässigt. Hier besteht noch Handlungsbedarf.
Herr Petr, sie sind es gewohnt im deutschsprachigen Raum zu unterrichten. Wie haben Sie die Lehre an der FH für Gesundheitsberufe mit den Studierenden des Studiengangs Ergotherapie erlebt? Mit welchem Eindruck fahren Sie nach diesen Lehreinheiten zurück nach Pilsen?
Petr Sika: Ich fahre mit einem positiven Eindruck zurück. Ich habe das Gefühl, dass die Studierenden sehr interessiert an dem Thema sind. Im Vergleich zu meinen Erfahrungen in der Lehre in Tschechien sind hier die Studierenden viel aktiver und fragen interessiert nach. Es scheint so, als hätten sie eine andere Ansicht was ihre Ausbildung und Hochschulkarriere betrifft, es findet ein intensiveres Lernen statt. Bei meinem ersten Gastvortrag in Österreich war ich am Ende des Vortrags überrascht, als alle Zuhörenden auf die Tische klopften, das gibt es bei uns in Tschechien nicht. Dieses Mal ist das zwar nicht passiert, aber inzwischen habe ich mich an diesen kulturellen Unterschied ohnehin gewöhnt. In Erinnerung werden mir auch die gut ausgestatteten Räumlichkeiten und die Sozialräume für Studierende und Lehrende am Campus bleiben. Beides vermissen wir in Tschechien. Mir fällt natürlich auch auf, dass hier der Campus barrierefrei gestaltet ist. Auch das ist ein Punkt, an dem wir in Tschechien bzw. im Speziellen an der Westböhmischen Universität in Pilsen noch arbeiten müssen.
Wir bedanken uns bei Herrn Petr Sika für das Interview und seinen Besuch bei uns am Studiengang Ergotherapie an der FH Gesundheitsberufe am Campus Wagner-Jauregg Linz.